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Aus
dem Booklet
Aurelius Donath ( marc aurel edition ) im Gespräch mit Dorothee Oberlinger
und Karsten Erik Ose
K.
E. O. Nachdem die ersten Neueinspielungen von Musik Vivaldis eher akademisch
ausgefallen sind, kommen gerade in den letzten Jahren Interpretationen auf
den Markt, die auf den ersten Blick "schockierend" lebendig wirken
- das reicht von Nigel Kennedy auf der modernen Geige bis hin zu Einspielungen
aus der Alten Musik Szene. Hier wie da wird der Versuch unternommen, Vivaldis
Musik total auszureizen, alle Instrumente an die Grenzen ihrer Möglichkeiten
zu treiben. Und so verblüffend die klanglichen Resultate am Ende sind,
stellt sich doch die Frage, inwieweit die erzielten Effekte "im Sinne
des Erfinders" sind. Ornamente 99" erschien dieser Ansatz zu modern,
dem Anliegen spätbarocker Musik nicht angemessen.
A. D. Und das von Dir, wo Du immer wieder betonst, daß der Begriff
des "Barocken" an den des "Exzentrischen" gebunden ist?
K. E. O. Um "exzentrisch" zu sein, ist es nicht nötig, in
Extreme zu verfallen - ansonsten besteht die Gefahr, den Bereich der Kunst
zu verlassen und "natürlich" zu werden - für die Interpretation
barocker Musik geradezu eine Verfehlung!
A. D. Klingt nach einer komplizierten ästhetischen Debatte ...
K. E. O. Nehmen wir ein Beispiel: Ein wütender Mensch schreit. Auf
der Bühne des modernen Sprechtheaters schreit er ebenfalls, auf der
barocken Opernbühne schreit er nicht, er singt, er stilisiert den Schrei-hebt
ihn auf die Ebene des Künstlichen. Da nun im Barock die ganze Welt
als Bühne gilt, verbietet sich ein Schrei in fast allen Lebenslagen.
Es galt weit mehr, eine Rolle zu spielen, als beständig "aus der
Rolle zu fallen". Oberstes Gebot der Kunst war das "Künstliche",
zentrales Anliegen gesellschaftlichen Umgangs die gute Manier nicht von
ungefähr spielen daher auch in der Musik die "Manieren",
das heißt die Ornamente, eine so große Rolle.
Dorothee
Oberlinger (photo: Johannes Ritter)
D. O. Bezogen auf die Interpretationen von ornamente 99 bedeutet
das: Wir versuchen, den höfischen Charakter barocker Musik, das kulturelle
Umfeld ihrer Entstehung und Aufführung niemals aus den Augen zu verlieren.
Im Falle der Kompositionen von Vivaldi gerät der Interpret dabei in
ein interessantes Spannungsfeld; denn viele von Vivaldis Stücken persiflieren
höfische Konventionen, scheinen eher volkstümlich, dem Treiben
des venezianischen Karnevals, dem Gesang eines Gondoliere oder dem Lärmen
einer Bauernhochzeit abgelauscht ....
K. E. O. ... und sind dennoch transportiert in den Bereich der Kunstmusik
und ausgedrückt mit den ihr eigenen Mitteln. Ein Stück von Vivaldi
alla rustica gaukelt dem Hörer augenzwinkernd "die Unschuld vom
Lande" vor, ohne sich mit ihr gemein zu machen. Samt und Seide hätten
sich wohl kaum in die Niederungen von Schweinezucht und Pferdemist begeben
...
D.O. ... und also sollte auch die Interpretation nirgends "natürlich",
banal oder vulgär werden. Gerade die Blockflöte ist in ihren Gestaltungsmöglichkeiten
viel eingeschränkter als etwa die Violine. Sie kann jedoch betörend
schön und atemberaubend virtuos gespielt werden, und genau diese beiden
Qualitäten haben die Komponisten der Barockzeit am flauto dolce geschätzt,
und entprechend haben sie für die Blockflöte komponiert-vor allem
Vivaldi. Daran orientiert sich meine Interpretation, sie bewegt sich zwischen
den Extremen von Schönheit und Virtuosität, was einen kreativen
und künstlerisch phantasievollen Umgang mit der Solostimme ja keineswegs
ausschließt. Aber auf vordergründige Effekte verzichtet die vorliegende
Einspielung ganz bewußt. Das gesamte Ensemble hat sein Augenmerk mehr
auf die schillernde Palette unterschiedlichster Affekte in Vivaldis Musik
gerichtet.
Für
die Hörproben bitte die
kleinen, gelben Lautsprechersymbole
auf der CD Rückseite anklicken
"Ein
äußerst frischer, vitaler Vivaldi"
( Crescendo 2, April/Mai 2002 )
"Dorothee
Oberlingers Spiel könnte man als Synthese der besten Momente in der
noch jungen Tradition des heutigen Blockflötenspiels erleben (
).
Einzigartig, was ornamente 99 an Phrasierung, Schattierung und sinnstiftender
Reliefbildung dem Notentext zu entlocken vermag (...). So scheint bei dieser
CD die spektakuläre Vivaldi-Vitalität der letzten Jahre ganz hineingenommen
in den quasi subkutanen Bereich des kammermusikalisch Ausdifferenzierten."
( Georg Goebel in block&flöte 1 / 2002 )
"This
CD presents a soloist who has perfect fingers, consummate tonguing and breathing
technique, and who apparently has read every treatise on baroque ornamentation
available (
) The small group that accompany her show the same virtues,
from the fabulous bassoonist to the warm, passionate string players."
( Laura Runai in Goldberg Nr. 20 )